WSF 2003

 

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Diskussionen auf dem WSF 2003

 Das Weltsozialforum hat sich in den letzten Jahren immer weiter über die Stadt verbreitet. Das hat den Vorteil, dass die Hauptveranstaltungen in ausreichend großen Räumlichkeiten stattfinden können – der Nachteil ist, dass das Pendeln zwischen den Veranstaltungsorten Zeit kostet, auch wenn der Busverkehr reibungslos läuft.

Ein Teil der Großveranstaltungen findet in den leerstehenden Lagerhallen des Hafens statt. Hier werden in den Tagen des Forums die Themenfelder „Prinzipien, und Werte, Menschenrechte, Verschiedenartigkeit und Gleichheit“, „Medien, Kultur und Gegenhegemonie“, „Politische Macht, Zivilgesellschaft und Demokratie“ sowie „Demokratische Weltordnung, Bekämpfung des Militarismus und Förderung des Friedens“ diskutiert. Nach Eingangsstatements des international besetzten Podiums, in denen meist verschiedene Sichten auf das Thema vorgestellt werden, kommt es zur freien Diskussion mit dem Publikum. So sprachen z.B. zum Thema „Neue Dimensionen eines demokratischen Staates“ im Themenfeld Politische Macht, Zivilgesellschaft und Demokratie ReferentInnen aus Russland, den USA, Irland, Spanien und Argentinien. Den brasilianischen Part übernahm ein Gast aus dem Publikum, da der eigentlich vorgesehene Vertreter der Stadtregierung von Porto Alegre ausgefallen war. Die Statements wie auch die anschließende Diskussion machten eine interessante Frage deutlich, deren Beantwortung durchaus unterschiedliche politisch-konzeptionelle Folgen hat. Alle ReferentInnen sprachen sich für die Stärkung der direkten Demokratie aus. Nur verstanden sie darunter unterschiedliche Dinge; anders formuliert: Wer ist der Träger direkter Demokratie? Die meisten der Diskutanten hoben die Rolle der NGOs hervor, nur der brasilianische Kollege setzte das Primat, entsprechend den hier gesammelten Erfahrungen, bei den BürgerInnen unmittelbar an. Die von ihm formulierte These, dass die BürgerInnen allemal klüger sind, als die, die sie in Parlamente wählen, fand ungeteilten Beifall und bedeutet in der Praxis des BürgerInnenhaushaltes, dass auch NGOs als solche genauso wenig wie PolitikerInnen in den demokratischen Prozess unmittelbar eingreifen können – nur über ihre Mitglieder. In ähnlicher Richtung argumentierte Frederico Mayor aus Spanien, der den Zusammenhang von Menschenrechten und Demokratie thematisierte. Demgegenüber hob z.B. Alexander Buzgalin (Russland), die Rolle der NGO überdeutlich hervor. Ob die von ihm entwickelte Vision eines „NGO-Staates“ tatsächlich tragfähig ist, wird noch weiter zu diskutieren sein. Diese unterschiedlichen Sichtweisen wurden in der Veranstaltung nicht problematisiert, vielleicht noch nicht einmal als unterschiedlich gesehen. Hier wird aber mit Sicherheit einiges an Zündstoff für die innerlinke Debatte in den nächsten Jahren liegen. Gleiches gilt sicher für die Frage der Geschlechtergerechtigkeit, auf die vor allem Roxana Vazquez aus Argentinien einging. Einigkeit bestand hingegen in der Notwendigkeit grundlegender Reformen der internationalen Institutionen, wie UNO und WTO.

An gleicher Stelle kann man auch einen Eindruck von der Breite der politischen Diskussion in Brasilien erhalten, wenn sie/er die Informationsstände der brasilianischen NGOs und der Verlage besucht. Wie auch an den anderen Veranstaltungsorten nutzen sie die Möglichkeiten zur Information über ihre Aktivitäten auf den verschiedensten Feldern. Hohes Gewicht haben Fragen der ökologischen Landwirtschaft und kooperativer bzw. Familienbetriebe in der Landwirtschaft, die Wasser-Frage und Probleme der Solidarischen Wirtschaft. Vorgestellt werden auch Modelle des Bürgerhaushaltes außerhalb Porto Alegres. Bemerkenswert ist weiterhin die Fülle an Projekten, die Untersuchungen zur sozialen, wirtschaftlichen und Umweltsituation zum Gegenstand haben.

Wie auch in den vergangenen zwei Jahren bietet das Forum so auch einen Überblick über Diskussionen und Projekte, die in ihrer Offenheit und Entschiedenheit immer wieder Begeisterung und angesichts der Tiefe der Probleme dieses an sich reichen Landes Bewunderung hervorrufen. Wenn in diesem Jahr der Demonstrationszug durch VertreterInnen der Landlosen- und KleinbäuerInnen-Bewegungen angeführt wurde (in den Jahren zuvor wurde der Zug insgesamt vor allem von CUT-AktivistInnen dominiert) so zeigt dies schon, wo die größten Probleme liegen.