Angesichts der umfassenden strukturellen und gesellschaftlichen Krise, die die Bundesrepublik Deutschland erfaßt hat, stellen wir, Seniorinnen und Senioren, als Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten der Partei des Demokratischen Sozialismus, vereint und tätig in der Seniorenarbeitsgemeinschaft der PDS unsere Ansichten, Vorschläge und Forderungen zur öffentlichen Diskussion.
Die politisch herrschende Kaste der Bundesrepublik erweist sich immer unfähiger, den globalen ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen mit tragfähigen und vorausschauenden politischen Konzepten zu begegnen. Die Regierungskoalition beharrt auf einer konservativen und neoliberalen Politik der Privatisierung und staatlichen Deregulierung, die weder wirtschaftlichen Aufschwung noch ökologischen Wandel schafft, sondern vielmehr durch massenhafte Arbeitslosigkeit und den Bankrott des Staatshaushaltes gekennzeichnet ist. Sie wälzt die Lasten ihrer gescheiterten Politik rücksichtslos auf die Schwachen und Schwächsten ab. Sie scheut sich nicht, Bürgerinnen und Bürger, die den Reichtum des Landes maßgeblich geschaffen haben, mit Begriffen wie Rentnerschwemme, Rentnergau, gesellschaftliche Vergreisung oder graue Revolution bewußt zu diffamieren. Unter mißbräuchlicher Anwendung des Reformbegriffs betreibt die gegenwärtige Regierungskoalition den weiteren Abbau des Sozialstaates:
- Sie stellt den Generationenvertrag als Kernstück des Sozialstaats in Frage; sie kündigt ihn de facto vor allem zu Lasten der Kinder und Jugendlichen, der Frauen und Alten, der Alleinerziehenden und Alleinlebenden, der Menschen mit Behinderungen auf.
- Sie setzt den Abbau des solidarischen Versicherungssystems - vor allem der Renten- und Sozialversicherung - fort, favorisiert die kapitalisierte Selbstvorsorge und hebt damit die gesellschaftliche und sozialstaatliche Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auf, getreu dem eigensüchtigen Prinzip: "Jeder ist sich selbst der Nächste".
Diese Politik der Regierungskoalition führt zur fortschreitenden gesellschaftlichen Polarisierung - zwischen arm und reich, unten und oben und alt und jung. Dieser Politik muß entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden, vor allem von jenen, die davon betroffen sind. In diesen Widerstand gegen den Sozialabbau reihen wir uns ein. Nicht nur, weil er uns besonders betrifft, sondern auch weil wir auf einem Lebensweg alt geworden sind, der - bei allen Höhen und Tiefen - bisher ein Weg des solidarischen Miteinanders der Generationen war. Mit diesem Verständnis kämpfen wir dafür, die Solidarität der Generationen als wichtigste Voraussetzung, für ein Leben im Alter in sozialer Sicherheit und Würde zu erhalten. Als Mitglieder der PDS wollen wir gemeinsam mit Sympathisantinnen und Sympathisanten auf der Grundlage des Programms der PDS linke und sozialistische Seniorenpolitik als eigenständiges und spezifisches Politikfeld gestalten, darauf gerichtet, "politische, soziale, ethische, geistig-kulturelle und rechtliche Bedingungen" zu schaffen, "die selbstbestimmtes Leben im Alter und aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Geschehen ermöglichen".
(Programm der PDS, S. 18)
Wir setzen uns dafür ein:
- den Sozialabbau unverzüglich zu stoppen, das solidarische Sozialstaatsprinzip mit dem Generationenvertrag als Kernstück und soziale Sicherungssysteme Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erhalten, zu erneuern und mit einer sozialen Grundsicherung zu erweitern;
- die Massenarbeitslosigkeit durch einen langfristigen Umbau des gesellschaftlichen Arbeitssystems, verbunden mit dem Übergang zu einer nachhaltigen ökologisch verträglichen Wirtschaftsweise und durch die Bildung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors zu überwinden.
Dieser geforderte Umbau soll Arbeitsplätze für alle Altersgruppen mit angemessener Lebensarbeitszeit schaffen. Der Schweriner Parteitag der PDS im Januar 1997 hat dazu "Vorschläge zur Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau" und "PDS-Positionen für eine soziale und ökologische Reform von Steuern und Abgaben" beschlossen und der öffentlichen Diskussion übergeben.
Wir fordern deshalb:
- ungehinderten Zugang zu medizinischer Betreuung und Fürsorge; angemessene psychologisch verständnisvolle ärztliche Zuwendung vor allem gegenüber alten und chronisch Kranken bei maßvoller Anwendung von Apparatemedizin;
- Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel, bei Krankenhausaufenthalten und Kuren entschieden zu reduzieren; sozial ausgewogen zu gestalten und für chronisch Kranke aufzuheben. Die Preisgestaltung im Interesse des Maximalprofits der marktbeherrschenden Pharmakonzerne ist offenzulegen;
- das europaweit anerkannte Polikliniksystem als rationales und kooperatives Element gesundheitlicher Versorgung und sinnvoller Koordination von Prävention, Diagnostik, Therapie, Nachsorge und Rehabilitation zu reaktivieren und auszubauen;
- die Zuständigkeiten für medizinische, pflegerische und soziale Versorgung - auch angesichts des Dschungels von Kostenträgern und Ansprechpartnern - überschaubar zu gestalten, die unsinnige Trennung von Behandlungs- und Pflegebedürftigkeit aufzuheben und aktivierende und rehabilitative Maßnahmen sinnvoll miteinander zu verbinden;
- entsprechend der Bedarfsentwicklung ein wohnortnahes und dezentrales System ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgung als Einheit medizinischer, pflegerischer und sozialer Betreuung mit gerontologisch/geriatrisch ausgebildetem Personal auszugestalten;
- bei eintretender Hilfe- und Pflegebedürftigkeit nicht nur älterer und alter, sondern aller Bürgerinnen und Bürger hat die gesetzliche Pflegeversicherung alle notwendigen Kosten der Pflege und Betreuung zu übernehmen. Es darf weder die Sozialhilfe in Anspruch genommen noch der unwürdige "Offenbarungseid" oder die Kostenbeteiligung durch Familienangehörige erzwungen werden;
- die solidarische, gesetzliche Krankenversicherung für alle abhängig Beschäftigten einschließlich der Beamtinnen und Beamten zu erweitern und die Beitragsbemessungsgrenze bis zu einem Jahreseinkommen von 100.000 DM (brutto) anzuheben.
Deshalb fordern wir:
- eine demokratische, soziale und ökologische Wohnungspolitik und ein überschaubares Mietrecht, in dem die demokratische Mitbestimmung von Mieterinnen und Mietern in Aufsichtsräten, Vorständen und Beiräten von Wohnungsgesellschaften gesetzlich geregelt ist. Ebenso fordern wir einen verfassungsrechtlich gesicherten Kündigungsschutz; besonders für Menschen mit Behinderungen und die das 70. Lebensjahr erreicht haben.
- die weitere Privatisierung kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungen sowie der anderer gesellschaftlicher Eigentümer durch ihren Verkauf an Investment-Gesellschaften oder an Zwischenerwerber u.ä., deren vorrangiges Ziel es ist, bisher preiswerte Mietwohnungen in von Seniorinnen und Senioren unbezahlbare Eigentumswohnungen umzuwandeln, unverzüglich zu beenden.
- die Modernisierung und den Neubau altersgerechter barrierefreier und bezahlbarer Wohnungen im Interesse sozialer Gemeinnützigkeit durch den kommunalen, genossenschaftlichen und privaten Wohnungsbau spürbar zu fördern. In diesem Sinne ist auch der Wohnungstausch durch Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften - z.B. mittels dauerhafter Belegungsbindung - umfassend zu unterstützen.
- betreutes Wohnen von Seniorinnen und Senioren rechtlich und materiell zu sichern, den Wohnaspekt in Pflegeheimen als Folge des höheren Anteils alleinlebender Hochbetagter auszuprägen.
- alternative Formen altersgerechten Wohnens zu unterstützen, z.B. Selbsthilfeprojekte von Wohngemeinschaften Alleinlebender, von Ehepaaren und Lebensgemeinschaften, die nicht das traditionelle Altenheim bevorzugen, Gründung von Seniorenbaugenossenschaften als Form der Altersvorsorge mit lebenslangem Wohnrecht.
- von den Kommunen künftig eine städtebauliche und sozialräumliche Planung zu betreiben, die der Vereinsamung und Verdrängung altgewordener Bürgerinnen und Bürger aus dem gewohnten Wohnumfeld entgegenwirkt; vor allem durch altersgerechten Umbau, Modernisierung, Begrünung, Lärmschutz, Verkehrsberuhigung, Dienstleistungszentren, Versorgungs-, Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen.
Wir rufen auf:
- in Ausschüssen, Seniorenvertretungen und -beiräten gewählter parlamentarischer Vertretungen aller Ebenen aktiv mitzuarbeiten sowie mittels Rede- und Antragsrecht Einfluß auf die Ausarbeitung und Realisierung von Senioren-, Alten- und Altenhilfeplänen und anderer politischer Instrumentarien im Interesse von Seniorinnen und Senioren zu nehmen;
- zur solidarischen Mitwirkung in Gewerkschaften, Wohlfahrtsorganisationen, Senioren- und Behindertenverbänden, Sozialbündnissen, Mietervereinigungen und in den im "Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden e.V." vereinten Solidarorganisationen im Interesse und zum Nutzen vieler Hilfebedürftiger;
- am gesellschaftlichen, geistig politischen Leben aktiv teilzunehmen; im Sinne der Vielfalt individueller Bedürfnisse, die sowohl Teilnahme und Mitarbeit in Seniorenklubs und -begegnungsstätten, Seniorenuniversitäten bzw. -akademien, Volkshochschulen umfassen, als auch spezifische Interessenpflege in Bürger-, Heimat- und Sportvereinen, verbunden mit Selbstbetätigung und gesunderhaltender Lebensführung.
Zugleich verlangen wir:
- den Zusammenhang sozialer Mißstände, die die herrschende Regierungskoalition mit ihrer verfehlten Politik zu verantworten hat, und wachsender Kriminalität, die Lebensängste auslöst und deren Opfer immer wieder ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger sind, öffentlich und damit deutlich zu machen, daß eine grundlegend veränderte Gesellschafts- und Sozialpolitik die nachhaltigste Kriminalitätsprävention ist;
- die noch immer praktizierte und rechtlich nicht oder nur willkürlich gedeckte Strafverfolgung ehemaliger Bürgerinnen und Bürger der DDR im Interesse tatsächlicher innerer Einheit des Volkes und des Rechtsfriedens in Deutschland mit einer gesetzlichen Regelung zu beenden.
Wenige Stichworte mögen erklären, was wir meinen:
- die Weimarer Republik, aufkommender Faschismus, Chauvinismus, Rassismus, der 2. Weltkrieg;
- die Nachkriegszeit, der kalte Krieg, die Spaltung Deutschlands, die Ost- West Konfrontation;
- gesellschaftliche Alternativen: der reale Sozialismus in der DDR und sein Scheitern, das "Wirtschaftswunder" und der Sozialstaat in der BRD, die Wiedervereinigung beider Staaten;
- die weltweite kapitalistische Globalisierung
- Massenarbeitslosigkeit
- Sozialabbau
- Marktradikalismus.
Wir wollen auch weiterhin:
- mit unserer aktiven ehrenamtlichen Arbeit in den Basisorganisationen, in den Arbeits- und Interessengemeinschaften, in den Geschäftsstellen der Gebiets-, Bezirks- und Kreisvorstände und der Fraktionen der Parlamente helfen, die Politik der PDS im tagtäglichen Leben zu verwirklichen;
- all unsere Kraft für erfolgreiche Wahlkämpfe 1998/99 einsetzen, um erste Schritte eine radikale politische Wende in der Bundesrepublik Deutschland einzuleiten. Kohl muß weg, Alternativen müssen her! Alternativen, die von breiten sozialen Bewegungen getragen, gesellschaftliche Veränderungen zur Folge haben, die das Leben zukunftssicherer machen. Wir wollen uns auch im höheren Alter unserer Verantwortung für das Leben nachfolgender Generationen stellen. Wir wollen, daß nicht nur unsere Nachkommen, sondern alle Menschen dieser einen Welt eine lebenswerte Zukunft haben. Wir wollen uns auch schmerzlicher Defizite vergangener und gegenwärtiger politischer, ökonomischer und ökologischer Lebensgestaltung bewußt werden und sie öffentlich machen, wie die Nutzung der Kernenergie ohne gesicherte Entsorgung, der Raubbau an der Natur mit verbundenen Klimakatastrophen im Interesse des Profits, die ungehemmte Erdversiegelung vor allem infolge des motorisierten Individualverkehrs, eines Gigantismus, der vom realen Kapitalismus rücksichtslos befördert wird.
Wir wollen zivilisatorischen Wandel sowie einen ökonomischen und sozial-ökologischen Umbau der gesamten Produktions-, Distributions- und Konsumtionsweise als Voraussetzung für die Gestaltung einer friedvollen und gerechten Welt. Wir müssen lernen mit den der Menschheit noch verbleibenden Reichtümern der Natur höchst sorgsam umzugehen. Wir wollen keine asketische, wohl aber eine vernünftige Lebensweise, in der nicht mehr das Geld, der Profit, der Besitz und das Vermögen Priorität in der Werteskala der Menschen haben, sondern Wohlstand für alle, Solidarität, Freiheit, Gleichstellung aller Mitglieder der Gesellschaft.
Wir hoffen auf die Kraft neuer sozialer Bewegungen der Zukunft. Indem wir aus den Erfahrungen erlittener Niederlagen lernen und uns bemühen, mit der Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme eine bessere, sozial gerechtere Gesellschaft als die heutige zu schaffen, wird die Vision einer zukünftigen Gesellschaft letztlich auch durch unser heutiges aktives Tun beeinflußt.
eingerichtet von L.B. 10/98